Der Sektkeller klingt wie Meeresrauschen, nur dass das Meer hier in Flaschen atmet. Zwischen den Pulten ist es kühl genug, dass Gedanken schärfer werden. „Da“, sagte Nino und zeigte auf die dritte Reihe von links. Die Flaschen zitterten minimal, als würde jemand hinter der Wand mit zwei Fingern an die Zeit tippen.
„Der Druck spielt nicht sauber“, murmelte Johann. Er legte die Hand auf die Holzsprosse, Augen zu, als könnte er über das Holz hören. „Kurze Sprints, statt gleichmäßigem Trab.“
Inspektor Pröll stand beim Datenlogger. „Kein Alarm, aber Wellen“, sagte er. „Immer dann, wenn die Lüftung im Nebenraum anspringt.“ Auf dem Display liefen Linien wie kleine Dünen.
Lukas presste die Lippen zusammen. „Letzte Woche war ein Techniker da. Kulanz, hat er gesagt.“
Wir hoben eine Flasche in die Wanne. Als der Kronkorken ab war, stand die SCHAUMKRONE zu lange, zu stolz; sie ließ sich bitten, ehe sie sank. Johann nickte. „Zu hohe CO₂-Sättigung. Minimal – aber in Reihe wird minimal laut.“
„Falle?“ fragte ich.
„Falle“, sagte Pröll trocken. Wir markierten die Ventilschraube mit einem Haarstrich aus Filzstift, legten eine korrekte Feder bereit und ließen Sepp auf der Werkbank zwei identische Dichtungen hinlegen: eine gute, eine müde.
Der Mann kam mit einer Jacke, die mehr Taschen hatte als Gründe. „Na, meine Herren“, sagte er jovial. „Einmal fein nachstellen, dann läuft das wieder wie auf Schienen.“ Er griff zum Ventil, drehte – und der Strich auf der Schraube verschwand um einen Hauch nach rechts.
„Stopp“, sagte Pröll freundlich. „Bevor Sie fertig nachstellen: Welche Feder haben Sie eingesetzt?“
„Die bessere, natürlich.“
„Die bessere liegt noch hier“, sagte Johann. „Was Sie drin haben, ist die kürzere. Zwei Zehntel weniger – gerade genug, dass die Reihe stolpert, wenn die Lüftung hupft.“
Der Techniker lächelte nicht mehr. Viele werden laut, wenn sie ertappt sind. Er wurde leise. „Ich wollte…“ Er suchte ein Wort und fand ein schlechtes. „…Servicebedarf erzeugen.“
„Noch etwas“, sagte Pröll, als würde er sich nur nebenbei erinnern. „Welche Firma liefert euch die grünen Schraubkappen für die Magnums – und wer prägt die Deckel?“ Der Mann nannte einen Namen und einen Außendienstler „für schnelle Lösungen“. Pröll schrieb zwei Buchstaben in sein Heft. Mehr brauchte er nicht.
„Erzeugt haben Sie Unruhe“, sagte Lukas. „Den Rest beheben wir jetzt ohne Sie.“
Nino setzte eine Schutzbrille auf, die ihm zu groß war, und sah plötzlich aus wie ein Praktikant aus einem Science-Fiction-Film. Sepp reichte das Werkzeug. Johann tauschte die Feder, wir kalibrierten das Ventil, entlüfteten dosiert – und das Rauschen im Keller wurde wieder zum leisen, freundlichen Atmen.
Wir öffneten eine zweite Flasche in der Wanne. Die SCHAUMKRONE stand diesmal genau so lange, wie guter Schaum stehen darf: selbstbewusst, aber ohne Theater. Auf dem Logger wurden die Linien zu Ebene.
„Unterschreiben Sie bitte, dass Sie heute hier waren – und nichts verstellt haben“, sagte Pröll. „Das ist gratis. Ruhe ist die Rechnung.“
Der Mann setzte seinen Namen, so klein, dass er fast entschuldigend wirkte, und verschwand mit der Geschwindigkeit eines schlechten Gedankens.
„Und wir?“, fragte Nino und zog die Brille ab. Ein komischer Abdruck blieb auf seiner Nase, und wir lachten gerade so lang, wie man lachen darf, wenn man knapp daneben nicht explodiert ist.
„Wir drehen die Pulte später zwei Stufen“, sagte Johann. „Langsam. Der Keller hat jetzt wieder Zeit.“
Später, als wir das Licht ausmachten, blieb ich noch einen Moment. Das Holz knackte leise. Die Hefe arbeitete wie ein gutes Geheimnis. Und irgendwo im Dunkeln machte eine einzelne Blase „plopp“ – das kleinste Ja der Welt.
„Kommst du, Rainer?“, rief Lukas von der Tür.
„Gleich“, sagte ich. „Ich hör noch fertig zu.“
Fortsetzung folgt: E07 – Der Engel im Fass am So, 21.11.2025, 19:00.
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